Birgit Hinterholzer im Gespräch mit Ö1

Birgit Hinterholzer möchte den Weg der Jeunesse fortsetzen und »alle Altersschichten neugierig machen auf Musik, auf Formate, auf Kunst.« Sie spricht mit Eva Teimel über generelle Herausforderungen im Kulturmanagement, Turbulenzen und Alleinstellungsmerkmale der Jeunesse sowie ihre Beigesterung für zeitgenössische Musikvermittlung. 

24.2.2023 | Intrada – Österreichs Musizierende im Porträt | Gestaltung: Eva Teimel | Ö1 Sendung zum Nachhören

Birgit Hinterholzer, Sie sind jetzt neue Generalsekretärin der Jeunesse. Man hat ein bisschen den Eindruck, die Jeunesse kommt nicht ganz zur Ruhe. In den letzten Jahren hat es einige Wechsel an der Führungsspitze gegeben. Sehr viele haben die Aufgabe übernommen und dann wieder zurückgelegt: Zuletzt Christian Schulz im Jahr 2022. Die Position wurde dann erneut ausgeschrieben. Es hat auch in den Corona Jahren etliche Schwierigkeiten gegeben mit drohender Insolvenz, die man dann doch noch abwenden konnte. Was war denn für Sie jetzt die Motivation, sich für die Jeunesse trotzdem noch zu bewerben?
 

Ja, die Jeunesse hat turbulente Zeiten hinter sich oder ist vielleicht auch gerade noch mittendrin. Das ist kein Geheimnis, das hat man aus den Medien immer wieder so wahrgenommen. Und das ist ja, wie Sie auch richtig sagen, nicht nur Corona geschuldet – Corona hat das Ganze noch befeuert. Es hat schon davor Umstrukturierungensmaßnahmen gegeben in der Führung, dass geteilt wurde auf eine Doppelführung. Vielleicht wurde auch nicht immer ganz die richtige Konstellation gefunden – das ist durchaus auch im Bereich des Möglichen. Und es ist ja nicht so, dass sich direkt auf der Suche war, aber mich immer wieder, wie es in diesen Bereichen ist, umgesehen, umgehört habe und mir gedacht habe, da würde es ja direkt auch etwas zu gestalten geben. Das bietet natürlich auch Möglichkeiten, etwas neu aufzubauen, Prozesse neu zu denken, Strategien zu entwickeln. Vielleicht fehlt die langfristige Vision: Wo gehen wir hin, wo wollen wir hin, wer sind wir überhaupt? Und alle diese Fragen habe ich mir vorweg selbst gestellt und möchte ich mir nun gern gemeinsam mit der Jeunesse stellen. Und ich habe auch meinem Team immer wieder so gesagt: Ich habe es durchaus länger vor mit der Jeunesse. Und ich hoffe, dass wir da jetzt auf einem guten Weg gemeinsam kommen, der uns hoffentlich einen Aufwärtstrend bringt und der dann auch in der Öffentlichkeit so wahrnehmbar ist.

 

Sie kommen ja, wenn man so will, aus der Materie. Sie waren jetzt sieben Jahre lang Bundesgeschäftsführerin von Musik der Jugend. Da haben Sie auch etwas ganz Wesentliches verantwortet, nämlich die Wettbewerbe »prima la musica« und »podium.jazz.pop.rock«. »Prima la musica« ist für den heimischen Musik-Nachwuchs ganz wesentlich und ganz zentral. Das heißt, Sie haben viel mit der Jugend gearbeitet, für die Jugend, haben sich da auch sehr engagiert. Was nehmen Sie denn von dieser Arbeit als Bundesgeschäftsführerin von Musik der Jugend für die Jeunesse mit?
 

Ja, wie Sie richtig sagen, die Arbeit mit der Jugend oder mit der musikalischen Jugend Österreichs ist mein Feld, das ich jetzt schon so lange bearbeite. Ich blicke da auf eine sehr, sehr schöne Zeit zurück. Ich gehe durchaus auch mit einem weinenden Auge weg, weil ich noch immer mit Leidenschaft hinter Musik der Jugend stehe. Ich würde das sogar so sehen, dass Jeunesse die Fortsetzung ist: Jeunesse bietet Programme für junges Publikum und für junge Künstlerinnen und Künstler. Sehr, sehr viele der Preisträgerinnen und Preisträger von Musik der Jugend lese ich jetzt in den Programmen der Jeunesse. Dann denke ich mir: Dieser Weg hat gut funktioniert. Das Feld ist natürlich bei der Jeunesse viel größer, der Verantwortungsbereich ist ein viel größerer, die Dimension ist eine andere, aber das Aufgabengebiet ist das gleiche. Ich nehme da einen reichen Schatz an Erfahrungen mit – für mich persönlich – aber auch mit meinem Team, im ganzen Aufgabenfeld und natürlich auch ein sehr, sehr breites Netzwerk.

 

Weil Sie gesagt haben, dass sie die Namen von »prima la musica« Preisträgerinnen und Preisträger dann oft sehen. Das ist ja eigentlich auch schön, wenn man die jungen Talente auch anschließend noch deren Weg ein bisschen mitverfolgen kann?
 

Genau, wenn die oft bei uns beginnen – wirklich in den ganz, ganz jungen Jahren – und dann ›hineinwachsen‹ durch die ganz jungen Gruppen in den Landeswettbewerb und dann bundesweit sich messen und auch darüber hinaus in den studienorientierten Gruppen. Wenn man sie dann liest in den Programmen der Jeunesse ist das ein erfolgreicher, eigentlich fast linearer Weg – obwohl ein Künstler:innenweg niemals linear verläuft. Da denke ich mir dann auch, dass das Fördersystem in Österreich funktioniert.
 


Es ist natürlich noch zu früh, um über Ihre konkreten Pläne sprechen zu können. Aber was haben Sie denn für eine Vision für die Arbeit mit der Jeunesse? Ich erinnere daran: Es hat vor ein paar Jahren im Zuge der ganzen Problematik in den Corona Jahren die Androhung – unter Anführungszeichen – gegeben, die Kinderkonzerte zu streichen, die Bundesländerkonzerte zu streichen, all das hat man abwenden können. Welchen Weg werden sie denn da einschlagen in diesen Bereichen?
 

Ja, da bin ich natürlich sehr froh, dass man das abwenden konnte, weil gerade das junge Publikum ist eine sehr zentrale Schiene für die Jeunesse. Wo wir mit neuen Formaten – die wir schon im letzten Jahr hatten z.B. Mit Baby im Konzert – wirklich diese durchgehende Möglichkeit bieten bis zum Abendkonzert für alle Publikumsschichten in allen Altersstufen, für ganze Familien, für ganz junges und auch dann natürlich für erwachsenes Publikum. Gerade bei dem Kinderkonzerten zu sparen – ich glaube da würde mir jetzt jeder recht geben der sich in der Musikvermittlung auskennt – das wäre ganz der falsche Weg. Und die Jeunesse ist sogar dann darüber hinaus in Corona den Weg gegangen, dass im letzten Jahr, dass man das Publikum wieder zurückgewinnen kann, dass die Musik zum Angreifen gratis angeboten wurde für Kindergärten. Das war gerade in dieser Zeit, wo viele Konzertsäle und Veranstaltungsorte nur halb gefüllt waren, dann doch eine gute Möglichkeit, diese wieder zu füllen und die Familien und alle dazu zu bewegen, wiederzukommen. 

Diesen Weg möchte ich natürlich fortsetzen: alle Altersschichten neugierig machen auf Musik, auf Formate, auf Kunst. Diese Neugierde zu wecken – nicht nur zu sagen ›ich muss Publikum generieren‹ – sondern Emotionen hervorzurufen, das Publikum abzuholen und Begeisterung zu wecken für das, was wir anbieten. 

Eines der Alleinstellungsmerkmale der Jeunesse ist das Angebot in allen Bundesländern, auch in den lokalen Regionen, nicht nur zentral in Wien. In Wien ist das sowieso auch unsere Aufgabe, uns zu positionieren als Konzertanbieter mit vielleicht nicht ganz den großen Möglichkeiten. Aber in den Bundesländern, in allen Regionen vom Burgenland bis nach Vorarlberg Konzerte anzubieten, nicht nur in den Landeshauptstädten, sondern auch am Land, das ist schon ein ganz tolles Profil der Jeunesse.

 


Stichwort Publikumsgewinnung oder Publikumsrückgewinnung: Wie sieht denn das eigentlich aus mit Menschen, die bisher wenig bis gar keinen Zugang zu Musik bekommen haben, weil sie einfach aus kulturellen, aus finanziellen Gründen keine Berührungspunkte damit haben? Menschen mit Migrationshintergrund zum Beispiel. Haben Sie da auch vor, ein bisschen mehr dafür zu tun, dass diese Menschen neugierig gemacht werden?
 

Ja, da haben wir natürlich diese gratis Angebote, diese vergünstigten Angebote. Wir haben Abo-Möglichkeiten, wo man sehr kurzfristig, sehr kostengünstig Karten erwerben kann. Wir haben diese Angebote für unter 26-jährige mit Jeunesse Card.26 um 7 € ins Konzert. Ich denke, das sind Preise, die wirklich für jeden möglich sind, die sich jeder leisten kann. Das ist auch natürlich ein Merkmal der Jeunesse, dass wir da zum Teil oft günstiger sind mit unseren Karten und dadurch auch mehr Personen ansprechen. 

Ich glaube, es hat nicht immer zwingend miteinander zu tun, wenn jemand nicht ins Konzert kommt, dass er es sich nicht leisten kann. Dieses Wachrütteln und Wieder-Lust-Machen auf Konzerte in Präsenzform, und nicht nur zu streamen, müssen wir uns alle – nicht nur als Jeunesse, sondern als Konzertveranstalter generell – als Thema vornehmen, um da wirklich aktiv zu werden, um Begeisterung zu wecken und Lust aufs Konzert zu machen. Lust hin zu kommen und Menschen zu treffen und dieses gemeinsame Erlebnis in positiver Erinnerung behalten.

 

Man merkt das in der gesamten Kulturszene, dass es gar nicht so leicht ist das Publikum wieder zurück zu bringen – das hat natürlich jetzt doch andere Gründe. Tatsächlich mit mit der Teuerung überlegen dann auch viele, ob sie sich das leisten wollen oder nicht. Was kann man denn generell tun? Und ich meine jetzt gar nicht nur die Jugend wieder oder überhaupt zu begeistern für diese Live-Events, sondern tatsächlich auch das Stammpublikum wieder zurück zu bringen in die Konzertsäle.
 

Ja, das Stammpublikum ist durchaus ein schwieriges Thema, dass man das zurückgewinnt. Da ist natürlich auch die Konkurrenz groß, denn alle kämpfen um das Stammpublikum, um die Abonnentinnen und Abonnenten. Ich glaube, da geht es darum, dass man interessante Zyklen, interessante Abos, interessante Konzertangebote hat. Vielleicht auch, dass man sich nicht nur über ganze Saisonen bindet, sondern, dass einzelne Konzerte verstärkt in den Fokus gestellt werden, dass man da auch gewisse Vergünstigungen schafft oder auch viel mehr Freiheiten in der Auswahl lässt. Das Publikum will sich nicht für eine ganze Saison oder über mehrere Monate hinweg binden. Wir wollen immer alle sehr spontan sein, wir wollen selbst entscheiden können und dem muss man vielleicht zum Teil nachkommen.

 

Ich habe sie in den letzten Jahren als sehr leidenschaftliche und engagierte Bundesgeschäftsführerin von Musik der Jugend erlebt. Genauso leidenschaftlich erlebe ich sie jetzt im Gespräch, wenn sie über die kommende Arbeit bei der Jeunesse sprechen. Was man von Ihnen aber weniger weiß, woher sie selbst eigentlich musikalisch kommen? Wie ist denn Ihr persönlicher Background, das überhaupt dieses Interesse an der Musik geweckt wurde?
 

Ich komme musikalisch aus einer sehr unbedarften Familie. Musik war weniger zentral, aber bei uns war alles möglich. Im Haus ist immer ein Klavier gestanden, das meine Mutter geerbt hat. Ich habe schon bald Interesse dafür entwickelt und relativ früh Unterricht in den Landesmusikschulwerken in Oberösterreich gehabt und mein erstes Studium war schlussendlich auch Klavier. Ich habe das schon mit Begeisterung studiert, aber relativ bald gemerkt, dass ich verschiedene Instrumente ausprobieren könnte. Ich habe mich dann der Flöte zugewendet und habe diese beiden Instrumente auch beendet für die pädagogischen Fächer. Ich habe, während meine Kinder klein waren und meine Familie doch viel Aufmerksamkeit gebraucht hat, am oberösterreichischen Landesmusikschulwerk unterrichtet, bis ich dann zufällig über die Ausschreibung der Bundesgeschäftsführung mehr oder weniger gestolpert bin. Ich habe dann noch berufsbegleitend ein Studium für strategisches Management gemacht und einen akademischen Lehrgang für Controlling, weil ich auch immer eine große Leidenschaft für Organisation verspürt habe und das sehr gern gemacht habe in der Betreuung von verschiedenen Kulturvereinen.

Und gerade diese Kombination aus künstlerischem Gestalten und der Managementfunktion würde ich als mein Profil bezeichnen.

 

Und Sie sind ja auch Chorleiterin?
 

Ja, ich bin auch Chorleiterin, diese Ausbildung habe ich an der Bruckner Privatuniversität gemacht. Ich habe derzeit eigentlich noch aktiv einen Laienchor in meiner Heimatgemeinde in Oberösterreich, wobei das jetzt schon sehr schwierig dafür Zeit zu finden mit der Arbeitsstätte in Wien und dem Pendeln nach Oberösterreich. 



Kann man eigentlich sagen, dass es Parallelen zwischen Kulturmanagement und Chorleitung gibt? Ein bissl ähnlich ist es ja.
 

Es ist immer schwierig, wenn man vor einer großen Gruppe steht und diese steuern muss. Und das braucht immer ein Fingerspitzengespür und immer trotzdem auch eine Strenge. Es können nicht alle Einzelmeinungen verwirklicht werden – das ist auch in einem Chor so. Trotzdem bin ich der Typ, der viel zulässt und sich viel anhört. Ich bin trotzdem jemand, der eine Linie vorgibt und darauf freue ich mich jetzt sehr bei der Jeunesse.

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